Pop aus Winterthur – Diese «grüne Hexe» schreibt Radio-Hits
Lisa Oribasi hat schon für die Musikgrössen der Schweiz Songs geschrieben, jetzt erscheint ihre eigene zweite EP. Ohne die Bäume und den Mond hätte sie das nie geschafft, sagt sie.
Zoé Richardet
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In Lisa Oribasi verbinden sich Welten. Die Indie-Musik der Sängerin ist ein Mix aus spirituellen Klängen und gewaltigen Pop-Vocals; neben der Altstadtwohnung in Winterthur bewohnt sie zwei Hektaren Land in Portugal, wo sie als Selbstversorgerin lebt. Und während die 29-Jährige mit beiden Beinen im Hier und Jetzt steht, denkt sie sich hinein in verborgene mystische Sphären.
Fürs Gespräch hat Oribasi den Vögelipark in Winterthur vorgeschlagen. Während es in den Baumkronen zwitschert, befühlt sie einen Stamm. Sie frage sich, wie alt der Baum sei, sagt sie. Auf einen Schlag wird spürbar, dass es hier eine unsichtbare Verbindung gibt zwischen der Musikerin und der Pflanze, auf der ihre Hand ruht.
Den ersten Hit schrieb sie mit zwölf Jahren
«Meine Inspiration finde ich immer in der Natur», sagt Oribasi. Sie horche in Wurzelwerke hinein, in Gesteinsbrocken, und ziehe daraus Klänge und Zeilen. Den Hang zum Mystischen habe sie wohl von ihrer Grossmutter, einer Jurassierin mit Heilkräften, sagt sie. Der erste Song, der in ihren Augen Hit-Potenzial hatte, handelte vom Kirschbaum im Garten ihres Elternhauses – sie schrieb ihn im zarten Alter von zwölf Jahren.
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Inzwischen ist, was Oribasi in der Natur sammelt, im Schweizer Radio und auf Bühnen im In- und Ausland zu hören. Mit nahezu jeder Grösse der Schweizer Musikszene hat Lisa Oribasi schon Songs geschrieben oder gejammt. Gemeinsam mit Pegasus entwickelte sie beispielsweise deren Hit «Victoria Line». 2017 interpretierte sie den Song «Memories», der dann im Hintergrund jedes Weihnachtswerbespots von Coop lief. Am 30. August erschien nun mit «Somewhere IDK» ihr zweites Kurzalbum.
Darauf befinden sich fünf Tracks, die nach Sonnenschein klingen und akustische Gitarren- und Trommelsounds mit R’n’B-ähnlichem Gesang verbinden. Die Texte heben das Magische im Alltag hervor. Der Mond wird besungen, der Himmel und der Geschmack von Meersalz. Beim Hören der Songs stösst man auf eine wiederkehrende Frage: Wohin soll die Reise gehen?
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Sie hat schon viele Länder bereist
«Ich bin seit jeher von dem fasziniert, was hinter dem Horizont liegt», sagt Lisa Oribasi. Die gebürtige Freiburgerin beginnt von Indien zu erzählen, das sie besonders aufgrund der Spiritualität und der Yoga-Lehre fasziniere. Von London, wo sie Gesang, Songwriting und Produktion studierte und die Musikerinnen und Musiker von morgen kennen lernte; und von den USA, die sie gelehrt hätten, ehrgeizig für ihren Traum zu arbeiten. «Dort wollte ich ein Superstar werden wie Beyoncé. Später aber habe ich begriffen, dass mich ein so stark öffentliches Leben nicht glücklich machen würde.»
Und dann wäre da noch Portugal zu erwähnen, der Fleck Erde, auf dem sie letztes Jahr spontan – bei ihr entscheide immer das Herz, nicht der Kopf – mit ihrem Partner zwei Hektaren Land und ein kleines Häuschen kaufte. «Das Häuschen ist hauptsächlich unser Studio», sagt Oribasi. Auch ihr Partner lebt von der und für die Musik: Er trägt den Künstlernamen Ball-Zee und ist Beatbox-Weltmeister.
Beide produzieren sie ihre Sounds selbst. Ob sie, so umgeben von der Musik, überhaupt einmal abschalten könne, einmal Momente der Stille habe? «Ja», sagt Oribasi. «Wenn ich gerade nicht produziere oder für mich oder jemand anderen Songs schreibe, gehe ich kochen und geniesse dann all die Geräusche, die man bei Ruhe wahrnimmt: Wie das Messer durch Zwiebeln schneidet, zum Beispiel.»
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Oribasi lebt als Selbstversorgerin
In Portugal leben Oribasi und ihr Partner autark. Der Strom kommt von Solarpanels, das Wasser entspringt einer Quelle, zum Kochen und für Wärme müssen die beiden Feuer machen, und die Lebensmittel bauen sie teils selbst an. «Gerade haben wir richtig grosse Tomaten», schwärmt sie.
Ihr gefalle es, so stark unter dem Einfluss der Natur und der Jahreszeiten zu stehen. Nur einen Nachteil habe es: «Wenn es kalt ist, braucht es enorm viel Überwindung, morgens aus dem Bett zu steigen und einzufeuern.» Aber das sei auch in ihrer Altbauwohnung im Stadtkern Winterthurs nicht viel anders.
Sie bietet auch Tarotlesungen an
Oribasi ist fasziniert von allem, was sie noch nicht kennt oder versteht. Sie spricht von Magie, über unsere Gesellschaft, die Planeten und übers dritte Auge, dessen Wurzel unter dem menschlichen Gehirn sitze. «Meine Wünsche richte ich immer an den Neumond», sagt sie. Im Steckbrief auf ihrer Website beschreibt sie sich als «grüne Hexe», nebenberuflich bietet sie Tarotlesungen und astrologische Beratung an. «In unserer nächsten Umgebung gibt es unglaublich vieles, was sich nicht rational erklären lässt.»
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Zum Beispiel ihre eigene Krankengeschichte. Mit neunzehn verlor Oribasi aufgrund eines Gendefekts ihre Stimme, der Spezialarzt prognostizierte, dass sie nie mehr so sprechen und singen können werde, wie sie es gewohnt war. Da stand sie kurz vor ihrer Aufnahmeprüfung an eine renommierte Musikhochschule in London.
«Der Arzt sagte, ich solle meine Gesangskarriere nicht weiterverfolgen, weil ich billige Stimmbänder hätte.» Doch Oribasis Kampfgeist war mit dieser schlechten Prognose nicht besiegt – im Gegenteil. Sie fand ihre Stimme wieder, durch Selbstheilung, wie sie heute sagt, und wurde in den Studiengang aufgenommen.
Einige Jahre später, als sie mit anderen Studierenden in Wimbledon lebte, sollte sie eine Nachricht der Nachbarn im Briefkasten finden: «Sie schrieben, ich singe so schön, wenn ich im Garten übe, und solle unbedingt weitermachen.» Den Brief habe sie behalten.
«Wir haben Superkräfte»
«Ich glaube, dass unsere Körper zu viel mehr imstande sind, als wir wissen», sagt Oribasi über das Überwinden ihrer Krankheit. Das sei auch die wiederkehrende Message in ihren Songs. «Ich will die Leute daran erinnern, dass wir Superkräfte haben, wenn wir uns auf sie besinnen», sagt sie. Neben dem Produzieren und Schreiben von Musik bietet sie Klangheilung an und gibt Gesangsunterricht. Wer seine Stimme wiederfinden musste, dem falle es leichter, auch andere dabei anzuleiten. Oribasi sagt: «Die grössten Hindernisse sind häufig die grössten Geschenke.»
Inzwischen hat sich im Vögelipark der Schatten der Bäume verschoben, die Mittagssonne steht am Himmel. «Sorry, dass ich geredet habe wie ein Wasserfall», sagt Oribasi. Sie habe eben als Kind bis vier nicht gesprochen – laut Logopäden, weil sie einfach keine Lust gehabt habe. «Meine Mutter sagt immer, dass ich jetzt etwas aufzuholen habe.» Lisa Oribasi, die im Schneidersitz auf einer Parkbank im Grünen sitzt, scheint ein wandelndes Märchen zu sein.
Release der EP «Somewhere IDK»: 30. August.
Zoé Richardet ist Redaktorin im Ressort Stadt Winterthur. Mehr Infos
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